Das Segelschulschiff Gorch Fock
Wahrzeichen und Botschafterin
Kiel ist Heimathafen der GORCH FOCK. Auf dem Segelschulschiff der Marine werden Offiziers- und Unteroffiziersanwärter*innen für den weiteren Dienst in der Flotte ausgebildet. Nils Brandt war fast acht Jahre Kommandant und gibt in 15 Fragen mit seinen Antworten einen Einblick in das Leben mit und auf dem imposanten Dreimaster.
Herr Kapitän zur See Brandt, was hat Ihre Liebe zur Seefahrt geweckt?
In unserer Familie ist die Liebe zur See und Seefahrt Tradition. Von meinen Großvätern bis zu unseren eigenen Kindern gehört das Segeln zu den wichtigen Dingen in unserem Leben.
Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Ausbildungszeit auf der GORCH FOCK?
Als begeisterter Segler war es für mich etwas Besonderes, meine erste Seefahrt bei der Marine mit der GORCH FOCK zu erleben. Und bis heute sind es die gemeinsamen Erlebnisse auf dem Segelschulschiff, die immer wieder in den Geschichten bei unseren Crewfesten und Treffen aufleben. Ich habe nur die guten Dinge und tolle Eindrücke in bester Erinnerung.
Was bedeutet es für Sie, Kommandant des einzigen Segelschulschiffs der Marine zu sein?
In guten wie in schlechten Zeiten. Für mich ist es eine besondere Aufgabe, die jungen Menschen auf der GORCH FOCK an die Seefahrt heranzuführen, sie die Dimension See erleben zu lassen und den Teamgeist zu vermitteln, der so wichtig für den Betrieb des Großseglers ist. Die lange Werftliegezeit hat uns als Besatzung aber auch die andere Seite gezeigt. Das Schiff wurde zur Munition und Schlagzeile, ohne dass es inhaltlich tatsächlich damit zu tun hatte. Auch dies mussten wir als Besatzung lernen und haben uns als Leitspruch „Wir sind GORCH FOCK, Sturm erprobt und Leid geprüft“ gewählt.
Wie kommen Sie und Ihre Familie mit der langen Abwesenheit auf See klar?
Meine Frau – und später unsere Kinder – haben es von Anfang an mitbekommen und unser gemeinsames Leben war geprägt von langen Abwesenheiten bedingt durch die Seefahrten. Unser Sohn hat mich einmal gefragt, warum ich nicht Postbote geworden bin. Die Frage bezog sich auf die Tatsache, dass dieser jeden Tag kommt. Es gab auch bei mir Momente, in denen ich mir die Frage gestellt habe: „Warum mache ich das und mute es meiner Familie zu?“ Meine Frau hat mir immer wieder gesagt: „Es ist dein Beruf und es macht dir Freude. Irgendwann wird es auch wieder anders.“ Als dann die Frage gestellt wurde, ob ich auf die GORCH FOCK als Kommandant möchte, wusste meine Frau, dass dies mein größter beruflicher Wunsch war und sie hat sich für mich gefreut, dass dieser nun in Erfüllung ging. Dass es so lange werden sollte, konnten wir damals nicht absehen.
Was ist das außergewöhnlichste Souvenir, das Sie von einer Reise mitgebracht haben?
Ich versuche immer, lokale Weine und Honig mitzubringen, da diese Produkte auch ein Spiegel des Landes sind.
Gibt es ein besonders verrücktes, witziges Souvenir über die GORCH FOCK, das Ihnen irgendwo rund um den Globus begegnet ist?
Ein solches Souvenir gibt es tatsächlich: Auf der HanseSail hat mir eine Frau aus dem Erzgebirge eine handgeklöppelte GORCH FOCK in einem Rahmen geschenkt. Dies war wirklich etwas Besonderes, neben all den anderen Dingen, die uns als Besatzung immer wieder erreichen. Kurios ist auch die Tatsache, dass Nordkorea in den 80ern eine Briefmarke mit der GORCH FOCK herausgegeben hat.
Was vermissen Sie – abgesehen von den Daheimgebliebenen – am meisten an Bord?
Nichts, es ist für mich eine tolle Aufgabe, einspannender Arbeitsplatz mit idealistischen Menschen und vielen Herausforderungen.
Wie sieht ein gewöhnlicher Arbeitstag auf der GORCH FOCK für die Marinesoldat*innen aus?
Im Hafen ist er geprägt von vielen administrativen Aufgaben, Personalführung, Instandsetzungs- und Pflegearbeiten, Sport und Ausbildungsabschnitten. Auf See mit Kadett*innen an Bord beginnt der Tag mit dem Wecken, der Hängemattenmusterung, gefolgt von Seewachen, praktischen und theoretischen Unterrichtsstunden, Reinschiff und verdienten Ruhephasen. Langeweile kommt auf See nie auf, da es wetterbedingt immer anders ist.
Und wie haben Sie die lange Zeit in der Werft verbracht?
In der Werft waren wir auf dem Wohnboot KNURRHAHN aus Kiel untergebracht. Dies ermöglichte uns, die Bordroutinen beizubehalten und als Besatzung zusammenzubleiben. Neben der täglichen Routine haben wir aber auch bei den Werftarbeiten unterstützt, zum Beispiel beim Auftakeln der Masten und Takelage. Es gab aber auch Phasen, in denen nicht viel zu tun und die Zukunft ungewiss war. Das hat uns als Besatzung sehr belastet.
Gibt es Traditionen oder Rituale, die für Sie wichtig sind und die Ihre Besatzung besonders pflegt?
Es gibt eine Handvoll Traditionen, die wir als Großsegler*innen und Marinesoldat*innen pflegen: den Seemannssonntag, das Besanschot, das Auspfeifen der Tagesroutinen, die Hängemattenmusterung und ein, zwei Dinge mehr. All dies schafft Identifikation, Gemeinschaftsgefühl und manchmal auch Stolz.
Gibt es an Bord eine Gedenktafel für die Verstorbenen?
Die Toten und in See Gebliebenen sind immer in unseren Herzen, Gedenktafeln gibt es für die Kamerad*innen in Berlin am Ehrenmal im Bendlerblock.
Was nervt am meisten?
Flaute, da diese uns zu einer besonderen maritimen Gelassenheit zwingt.
Ist das Schlafen in Hängematten eine große Herausforderung?
In den ersten Nächten im Hafen muss man sich schon daran gewöhnen, aber die ersten Nächte in See zeigen sehr eindrucksvoll, wie schön man bei Seegang in einer Hängematte schlafen kann.
Was schätzen Sie am meisten am Heimathafen Kiel?
Es ist die Segelstadt, man lebt am Wasser, man sieht überall Wassersport und die lebendige Studierendenatmosphäre hält die Stadt jung und attraktiv.
Welches ist Ihr Lieblingsplatz an der Kieler Förde?
An Bord der GORCH FOCK an der GORCH FOCK-Mole, mitten zwischen Innenförde und Außenförde im Herzen der Lebensader.